Sanitas Health Forecast Podcast x Vivienne Oesch

09.03.2022

Das Podcastgespräch mit Frank Baumann für den Sanitas Health Forecast ist für mich das erste öffentliche Gespräch über meine Histaminose und mein Leben damit. Ich habe, seit ich mit dieser Diagnose lebe, nie darüber gesprochen, nicht einmal bei der Ausstrahlung auf Pro 7 zum Dreh der ersten Staffel von Switzerland's Next Topmodel. Im Gegenteil, es war mir wichtig, nicht darüber sprechen zu müssen aus Selbstschutz. Selbst privat war es für mich enorm schwierig darüber zu sprechen. Seit einem Jahr teile ich nun ab und zu auf Socialmedia und meinem Blog meine Rezepte oder Berichte über die Lebensmittel, die ich jeweils neu in meine Liste mit Freude aufnehmen kann. Diese Liste habe ich vor über sechs Jahren mit drei Lebensmitteln begonnen. Durch das Teilen der Rezepte habe ich auch viele andere Betroffene kennengelernt und es freut mich, etwas zu ihrer Geschichte beizutragen mit einem neuen Rezept oder einfach ihre Geschichte zu teilen. Den Start als Betroffene und nicht als Fachperson mit Frank wagte ich im Frieden und Glück mit mir selbst. Die letzten sechs Jahre habe ich viele Erfahrungen gesammelt, mich gebildet aus Büchern, Erfahrungsberichte anderer Betroffenen geteilt, aber vor allem an mir gearbeitet. Ich habe nach der SIGHI-Liste neue Rezepte erarbeitet, natürlich mit extrem vielen Rückschlägen, die mich dann frustrierten und zu Beginn extrem traurig machten. Leider gab es damals noch nicht sehr viel darüber zu lesen, es ist auch heute ein etwas einsamer Weg. Zusätzlich beschäftige ich mich mit «anderen» Sportformen als noch damals. Ich habe schnell gemerkt, dass zu krasse Trainingseinheiten meinem Körper zu viel Stress machen. Nicht mehr alle Sportarten machen zu können, war gerade in meinen jungen Jahren und in Kombination mit meinem hohen Bewegungsdrang nicht wirklich kompatibel. Zu Beginn war es Verzicht, verbunden mit einer Form von «Abschied», doch dann begann ich mit immer mehr Freude Neues zu suchen und entdecken, sodass ich ein ähnliches Glücksgefühl dabei erleben kann und trotzdem meinem Körper und der Seele das Richtige gebe. Ein weiterer Faktor ist auf dem ganzen Weg auch das Umfeld, denn nicht jeder nimmt sich die Zeit, sich mit diesem Thema zu befassen. Nicht jeder ist offen für Krankheiten, die er nicht kennt oder die man nicht sieht. Es braucht auf den ersten Blick Geduld, sich diesem Thema ehrlich und mit Interesse zu öffnen. Ich erlebte darum auch privat Situationen, die mich verletzten, doch am Ende weiterbrachten in meiner persönlichen Lebensgeschichte.

Wer mich kennt, weiss wie leidenschaftlich ich koche, aber vor allem esse, und das schon immer. Ich habe immer und überall gerne gegessen - auch in anderen Ländern. Ausprobieren, schmecken und die «Geschmacksknospen bilden» mit neuen Reizen, zudem ist Essen etwas sehr Gesellschaftliches. Spontanität habe ich sehr lange nicht leben können, denn so ganz spontan ging es lange nicht. So habe ich dann bestimmt ganze zwei Jahre nicht ausserhalb von Zuhause gegessen. Auch meine Familie nicht. Wir haben unsere Freunde und Familie immer zu uns ins Haus eingeladen, damit ich meine Essensliste kochen konnte und auch nicht emotional allfälligen Situationen und Konfrontationen ausgesetzt war. Direkt nach der Diagnose, ich war knapp 15 Jahre jung, brach erstmal meine Welt zusammen. Ich wusste überhaupt nicht, wie damit umzugehen und trotzdem verspürte ich eine Erleichterung. Nun hatte ich endlich die Antworten, warum ich so starke Reaktionen hatte in so vielen Situationen - nicht nur auf Lebensmittel, auch auf Düfte, Medikamente etc. Um hier nur einige wenige zu nennen; Kopfschmerzen, extreme Bauchschmerzen/Koliken, Atemnot, Kreislaufprobleme, plötzlich aufgeblähter Bauch, Herzstechen und in Extremfällen Kreislaufkollaps, Seh- und Schlafstörungen oder anderes.

Heute bin ich auf einem guten Weg, meinem Darm und Leber die Möglichkeit zu bieten, nicht überfordert zu sein und der Abbau von Histamin ist mit der Ruhe und der Kenntnis der vielen Faktoren mittlerweile eingependelt. Ich bin auch emotional damit im Einklang und lerne mit Freude noch viele neue Aspekte und «Winkel», die mir helfen im Alltag und dem weiteren Weg. Darüber zu sprechen ist ein Meilenstein für mich und hätte mir vor sechs Jahren jemand meinem früheren Ich gesagt, dass ich mich nun mit Frank in einem Podcast über meine Geschichte und meinen neuen Alltag unterhalte, ohne zu weinen, wäre ich stolz und berührt gewesen. Ich berichte über meinen Alltag, um mit meinen Worten zu erklären, was als Betroffene dahintersteckt. Ich möchte aber vor allem mit meiner eigenen Geschichte anderen Mut machen, auch darüber zu sprechen und sich nicht zu schämen oder zu verstecken oder sich als - wie es Frank nennt «ExtraWurst» - zu fühlen. Viel sprechen wir über bewusstes Leben und ich denke, das ist ein zentrales und wichtiges Thema auch sonst ganz generell. Wir putzen Zähne, schneiden Nägel, pflegen einen guten Schlafrhythmus, versuchen unsere Körper fit zu halten mit Sport und Bewegung, also sollten wir uns auch nicht über etwas «andere Ernährungswege» den Kopf zerbrechen. Unser Körper ist unser Haus und die Homebase für die Zeit, die wir haben und ich denke jeder möchte das Beste für ein langes, gesundes und glückliches Dasein.

An dieser Stelle danke Frank Baumann für unser Gespräch, du hast es mir mit deinem Humor und deiner Offenheit zu einem angenehmen Moment und für mich schöne «Premiere» gemacht. Ich kenne dich seit vielen Jahren noch aus meiner Kindheit und ich war auch schon an deinen Lesungen, die mir in Erinnerung geblieben sind und auch diese mit viel Humor und Positivity. Das ganze Gespräch könnt ihr bei der neusten Episode des Sanitas Health Forecast Podcast, dem Podcast der Gesundheit der Zukunft - wer sie schon lebt, was uns erwartet und was bereits Realität ist, hören. Auf allen Plattformen, wo es Podcasts gibt.

Die Füsse hoch und habt Spass beim Zuhören. Xx Vivienne